Hochwasser in Bremen
Haus & Grund im Gespräch mit dem Bremischen Deichverband am rechten Weserufer
Haus & Grund hat anlässlich der Hochwassersituation das Gespräch mit dem neuen Deichhauptmann des Bremischen Deichverbandes am rechten Weserufer, Wilfried Döscher, gesucht, um aus Sicht des Deichverbandes die Situation zu beleuchten.
Das Interview führte Ingmar Vergau für Haus & Grund.
Herr Döscher, wie ist die Lage bezüglich der Witterung, der Wasserstände und des Hochwassers der Weser und der Wümme?
Der Witterungsverlauf bis zum Juni letzten Jahres ließ ein weiteres Trockenjahr erwarten. Dies wurde allerdings durch den verregneten Juli und die zum Jahresende hinzunehmenden Regenereignisse ins Gegenteil verkehrt. Gerade die Monate Oktober, November und Dezember haben enorme Regenmengen gebracht. Liegt das langjährige Mittel dieser Monate (1991 bis 2020) bei rund 51 bis 60 mm Niederschlag (1 mm entspricht 1 Liter je Quadratmeter), so haben die Regenmengen der letzten drei Monate nahezu das Zweieinhalbfache der Normalregenmenge ergeben. Diese Wassermenge ergoss sich in das Einzugsgebiet der Weser und Wümme und führte zu dem steilen Anstieg der gesamten Pegelstände. Der Abfluss der Weser stieg von 1.350 cbm/sec am 25.12.2023 auf 2.400 cbm/sec im Zeitraum 28., 29. und 30. Dezember 2023. Erst ab Silvester fiel der Wasserstand in der Weser ganz langsam.
Wie haben Weser und Wümme diese Wassermassen aufgenommen?
Die Weser ab Weserwehr kann solche Wassermengen problemlos abführen. In der Wümmeniederung haben wir zum Glück ein riesiges Niederungsgebiet als Speicherbecken. Die aus dem Einzugsgebiet der Wümme herankommenden Wassermengen verteilen sich in der Niederung. Allerdings haben die riesigen Wassermassen die Pegel „durch die Decke gehen lassen“ und innerhalb weniger Tage auf einen Wert von NN +3,70m katapultiert. Da diese Flussniederung ein relativ geringes Gefälle hat und im Normalfall zusätzlich unter Tideeinfluss steht, ist der Abfluss natürlicherweise reduziert. Als Folge stehen die Wassermassen langanhaltend an den Deichen und durchweichen diese allmählich. Dies ist kein Mangel der Deiche, allerdings erfordert es eine sorgfältige Kontrolle des Zustands der Erdkörper. Diese wurden während des Hochwassers vom Deichverband jeden Morgen in Borgfeld, Timmersloh und Warf-Butendiek durchgeführt. Und es wurden vorsorgende Sicherungsmaßnahmen an den Deichen ausgeführt. Wir haben dazu etwa 35.000 Sandsäcke zwischen Weihnachten und Neujahr gefüllt und verlegt. Dabei war es schon eine bewegende Erfahrung, welche Hilfsbereitschaft von den zahlreichen Helfern bei diesen Maßnahmen gezeigt wurde.
Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus den Erfahrungen, die Sie in den vergangenen Wochen und Monaten gemacht haben?
Nun, nach dem Absinken der Wasserstände, werden wir eine Auswertung des Hochwasserereignisses vornehmen, unsere Schlussfolgerungen ziehen und soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen einleiten. Neben dem Deichschutz hat der Deichverband die Gewährleistung der Entwässerung des Verbandsgebietes als Hauptaufgabe. Auch in das 22.000 ha große deichgeschützte Verbandsgebiet südlich der Lesum und in Bremen-Nord sind im Zeitraum Oktober bis Dezember 2023 etwa 400 mm Niederschlag je Quadratmeter (1 mm entspricht einem Liter Regen je Quadratmeter) gefallen. Das führte dazu, dass alle Pumpen in den Entwässerungsbauwerken monatelang unter Volllast liefen. Die dafür zu zahlende Stromrechnung wird gigantisch, aber aufgrund des sehr guten Unterhaltungszustands der Anlagen haben wir die Wasserstände im Griff gehabt. Aufgrund der hohen Niederschläge sind die in den vergangenen Trockenjahren gesunkenen Grundwasserstände bereichsweise wieder stark angestiegen bzw. hat sich Schichtwasser gebildet, was zum Teil für nasse Keller gesorgt hat. Erlauben Sie mir den Hinweis, dass der Deichverband mit seiner Aufgabe der Mengenbewirtschaftung des Wassers mittels der von ihm unterhaltenen 450 km Fleete, Gräben und Schöpfwerke nicht die Möglichkeit hat, Grundwasserstände zu beeinflussen.
Wie sieht es im Rahmen der Grundsteuerneuordnung mit dem Deichbeitrag aus, den wir privaten Eigentümer in Bremen entrichten müssen – haben wir hier mit deutlichen Veränderungen zu rechnen?
Der Deichverband bereitet sich mit Hochdruck auf die ab 2025 wirksame Neuordnung der Grundsteuer vor. Ab 1. Januar 2025 wird der bisher angewandte Einheitswert durch einen neuen Grundsteuerwert abgelöst. Es besteht Einigkeit innerhalb der Deichverbandsgremien, dass auch dieser Grundsteuerwert die beste Grundlage für eine angemessene und gerechte Beitragshebung sein wird. Die Finanzverwaltung wird auch in Zukunft die Hebung der Deichbeiträge zusammen mit der Veranlagung zur Grundsteuer vornehmen. Es wird vom Verband kein höheres Beitragsvolumen gehoben als bisher. Einzelne Beiträge können sich wegen der vom Finanzamt neu festgesetzten Grundsteuermessbeträge allerdings entsprechend verändern.Wie wird der Staat für Grundstücke der öffentlichen Hand zur Kasse gebeten?
Für Grundstücke der öffentlichen Hand bzw. für im öffentlichen Interesse genutzte Grundstücke besteht die Besonderheit, dass für diese kein Einheitswert gebildet wird. Da diese aber dessen ungeachtet den Vorteil der Hochwasserfreiheit durch unsere Tätigkeit genießen, werden für diese Grundstücke sogenannte Ersatzwerte, die vergleichbar mit den bisherigen Einheitswerten sind, als Grundlage für die Heranziehung zu Beiträgen vom Deichverband festgesetzt. Das für diese Ersatzwerte herangezogene Sachwertverfahren muss ebenfalls neu aufgelegt werden. Hier werden wir in 2024 zusammen mit der Finanzverwaltung ein belastbares Verfahren entwickeln.
Welche Aufgaben nimmt Ihr Verband wahr?
Kurz gesagt: Küstenschutz und Deichbau. Alljährlich werden unsere Deiche und technischen Hochwasserschutzanlagen auf den Prüfstand gestellt. Dies geschieht im Rahmen der im Herbst stattfindenden Deichschauen. Diese Deichschauen haben auch in 2023 den guten, ordnungsgemäßen und somit wehrhaften Zustand der ca. 100 km Deiche als Prüfergebnis gehabt. Weiterhin sind wir mit der Erhöhung und Verstärkung der Hochwasserschutzanlagen gemäß dem Generalplan Küstenschutz Niedersachen/Bremen intensiv befasst.
Was waren die Schwerpunkte in den vergangenen Monaten und Jahren?
Schwerpunktprojekt der letzten beiden Jahre war die Herstellung einer neuen Spundwand im Bereich der ehemaligen Bremer Wollkämmerei. Diese wurde von der Uferkante zurückversetzt und erlaubt nun die Anlage einer 8 m breiten Flaniermeile unmittelbar an der Weser. Diese verbindet dann die Bahrsplate mit dem Wätjens Park und schafft eine weitere attraktive Wegeverbindung im Bremer Norden. Die Planungen für die Deichstrecke vom Werderland bis zum Lesumsperrwerk sowie für die Hochwasserschutzmaßnahme in Grohn sind weiter vorangeschritten.